Gerhard Vinken

Gerhard Vinken (* 15. April 1961 in Hannover) ist ein deutscher Kunsthistoriker und Denkmalwissenschaftler.

Beruflicher Werdegang

Vinken studierte Kunstgeschichte, Philosophie und Geschichte in Freiburg, Paris und Berlin und wurde 1995 an der Freien Universität Berlin von Heinrich Thelen mit der Arbeit Baustruktur und Heiligenkult. Romanische Sakralarchitektur in der Auvergne promoviert. Vinken habilitierte 2008 an der philosophisch-historischen Fakultät der Universität Bern (Schweiz) in Kunstgeschichte mit der Arbeit Zone Heimat. Altstadt im modernen Städtebau (München/Berlin 2010).

Außeruniversitäre Berufserfahrungen sammelte Vinken als Gebietsreferent am Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege (1992–1994), als Mitarbeiter in kultur- und denkmalpflegerischen Forschungsprojekten und als freier Autor und Journalist. Er bearbeitete kunsttopographische Standardwerke[1] und lehrte unter anderem an der BTU Cottbus, der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, der Freien Universität Berlin, der Humboldt-Universität Berlin und in Taschkent/Usbekistan.[2]

2003 bis 2006 vertrat Vinken die Professur für Kunstgeschichte und Architekturtheorie an der RWTH Aachen, 2009 bis 2012 war er Professor für Interdisziplinäre Stadtforschung am Fachbereich Architektur der Technischen Universität Darmstadt. Die Stiftungsprofessur war dem vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft und Kunst im Rahmen der Landes-Offensive zur Entwicklung wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz (LOEWE) geförderten Schwerpunkt „Eigenlogik der Städte“ zugeordnet und maßgeblich für die Lehre in der Graduiertenschule / Graduate School for Urban Studies (URBANgrad) verantwortlich.[3] Seit 2012 hat Vinken den Lehrstuhl für Denkmalpflege / Heritage Conservation an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg inne. Dort ist er seit 2016 Gründungsmitglied und Mitglied des Leitungsgremiums des Bamberger Forschungszentrums Kompetenzzentrum für Denkmalpflege und Denkmalwissenschaften (KDWT).[4] 2004 und 2006 war Vinken Research Fellow am Internationalen Forschungszentrum für Kulturwissenschaften (IFK) in Wien ("Metropolen im Wandel"),[5] 2014/2015 Visiting Scholar der New York University (New York, USA) und 2023 Fellow am Institute for Urban Humanities (IUH) der University of Seoul (Südkorea).[6] 2021/22 erhielt er die prestigeträchtige „Opus-Magnum“-Förderung der Volkswagen Stiftung für seine grundlegende Monographie „Kulturerbe als Aufgabe“ (2025).[7]

Forschung

Nach einer mediävistischen Dissertation verlagerte Vinken, angeregt durch denkmalpflegerisch-praktischen Tätigkeiten und ein von der Gerda-Henkel-Stiftung gefördertes Forschungsprojekt (Altstadt im modernen Städtebau, 2003–2007), seinen Forschungsschwerpunkt in die historische Stadtforschung.[8] Unter dem Eindruck des Spatial turn öffnete er das Forschungsfeld für raumtheoretischen Fragen, ein Ansatz, den er als Research Fellow am Internationalen Forschungszentrum für Kulturwissenschaften (IFK) in Wien[9] und im Rahmen eines DFG-Forschungsnetzwerk Räume der Stadt. Perspektiven einer kunstgeschichtlichen Raumforschung (2004–2007)[10] auch aus denkmalwissenschaftlicher Perspektive ausformuliert hat.[11] Im Kontext der Professur für interdisziplinäre Stadtforschung an der TU Darmstadt und des LOEWE-Schwerpunkts Eigenlogik der Städte entstanden Arbeiten zu Fragen der Reproduktionslogiken von kulturellem und städtischem Erbe.[12] Leitfragen des wissenschaftlichen Oeuvres betreffen das „Machen“ von Traditionen und historischen Strukturen in Architektur und Städtebau. Neben Standardwerken zur Genese der Altstadt[13] entstanden Abhandlungen zum Wiederaufbau[14], zur Rekonstruktionsdebatte[15] und zur städtebaulichen Denkmalpflege[16], die Fragen wie Bildproduktion[17], Homogenisierung und Reinigungs- und Reinheitsfantasien[18] vertiefen.

In jüngerer Zeit steht die Auseinandersetzung mit dem Anthropological Turn in der Heritage-Wissenschaften und mit den Critical Heritage Studies[19] im Mittelpunkt von Vinkens Interesse. Arbeiten zu Themen wie Erbe und Emotion[20], Partizipation[21], zu kultureller Selbstbestimmung und Verdrängungs- und Marginalisierungsprozessen[22] mündeten in historisch-theoretische Reflektionen der politischen Agenda von kulturellem Erbe.[23]

Veröffentlichungen (Auswahl)

Monografien
  • Baustruktur und Heiligenkult. Romanische Sakralarchitektur in der Auvergne, Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 1997 (Dissertation), ISBN 3-88462-134-3.
  • Zone Heimat. Altstadt im modernen Städtebau, Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 2010 (Habilitation), ISBN 978-3-422-06937-4.
  • Zones of Traditions, Places of Identity. Cities and their Heritage, transcript, Bielefeld 2021, ISBN 978-3-8376-5446-2, doi:10.14361/9783839454466.
Herausgeberschaften
  • Denkmal – Werte – Bewertung. Denkmalpflege im Spannungsfeld von Fachinstitution und bürgerschaftlichem Engagement (mit Birgit Franz), Mitzkat, Holzminden 2014, ISBN 978-3-940751-95-9.
  • Das Erbe der Anderen. Denkmalpflegerisches Handeln im Zeichen der Globalisierung / The Heritage of the Other. Conservation Considerations in an Age of Globalization. 2 Bände, Universitätsverlag, Bamberg 2015, ISBN 978-3-86309-314-3, ISBN 978-3-86309-315-0.
  • Produkt Altstadt. Historische Stadtzentren in Städtebau und Denkmalpflege (mit Carmen M. Enss), transcript, Bielefeld 2016, ISBN 978-3-8394-3537-3, ISBN 978-3-8376-3537-9.
  • Das Digitale und die Denkmalpflege. Bestandserfassung - Denkmalvermittlung - Datenarchivierung - Rekonstruktion verlorener Objekte (mit Birgit Franz), Holzminden 2017, ISBN 978-3-95954-030-8 (books.ub.uni-heidelberg.de).
  • Denkmal_Emotion. Politisierung – Mobilisierung – Bindung (mit Stephanie Herold), Mitzkat, Holzminden 2021, ISBN 978-3-95954-109-1 (books.ub.uni-heidelberg.de).
  • Literatur von und über Gerhard Vinken im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  • Vinkens Website am Lehrstuhl für Denkmalpflege der Universität Bamberg
  • Website am Kompetenzzentrum (KDWT) der Universität Bamberg: Arbeitsbereich Denkmalpflege
  • Autoren-Seite des transcript-Verlags

Einzelnachweise

  1. Dehio-Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler: Brandenburg, München / Berlin 2000 (Hauptbearbeiter).
  2. Usbekisch-Deutscher Masterstudiengang für Bauerhaltung und Denkmalpflege. Abgerufen am 30. Mai 2024.
  3. Website der TU Darmstadt: Sieben Jahre Vakanz und Vertretung, 2009–2018. Abgerufen am 29. Mai 2024.
  4. Website des KDWT Bamberg: Prof. Dr. Gerhard Vinken. Abgerufen am 29. Mai 2024.
  5. Website des IFK Linz in Wien: Ort und Bahn. Altstadt im modernen Städtebau. Abgerufen am 29. Mai 2024.
  6. Website des KDWT Bamberg: Prof. Dr. Gerhard Vinken. Zuletzt abgerufen am 29. Mai 2024.
  7. Opus Magnum: VolkswagenStiftung fördert zwölf „große Werke“. Abgerufen am 29. Mai 2024.
  8. Quintessenz dieser langjährigen Auseinandersetzung: Gerhard Vinken: Zones of Tradition.
  9. Website des IFK Linz in Wien: Ort und Bahn. Altstadt im modernen Städtebau. Abgerufen am 29. Mai 2024.
  10. Gerhard Vinken: Ort und Bahn. Die Räume der modernen Stadt bei Le Corbusier und Rudolf Schwarz. In: Cornelia Jöchner (Hrsg.): Räume der Stadt. Von der Antike bis heute, Berlin 2008, S.147–164.
  11. Gerhard Vinken: Die Räume des Denkmals. ›Bildmacht‹ als Ergebnis räumlicher Praktiken. In: Henner von Hesberg, Jürgen Kunow, Thomas Otten (Hrsg.): Die Bildmacht des Denkmals - Ikonisierung und Erleben archäologischer Denkmäler im Stadtbild (= Archäologisches Gedächtnis der Städte. Schriftenreihe des Arbeitskreises Bodendenkmäler der Fritz Thyssen Stiftung, Band 5), Regensburg 2021, S. 145–157.
  12. Gerhard Vinken: Reproducing the City? Heritage and Eigenlogik. In: Urban Research & Practice. 5,3, 2012, S. 325–334;
    Gerhard Vinken: Lokale Sinnstiftung. Städtische Eigenlogik und die Bedeutung der Denkmale. In: Martina Löw, Georgios Terizakis (Hrsg.): Städte und ihre Eigenlogik. Ein Handbuch für Stadtplanung und Stadtentwicklung. Frankfurt / New York, 2011, S. 73–82;
  13. Gerhard Vinken: Zone Heimat.
  14. Gerhard Vinken: Wiederaufbau als „Kampf um die Mitte“. Stadtplanung zwischen technischer Erneuerung und Kontinuitätsversprechen. In: Birgit Franz (Hrsg.): Stadtplanung nach 1945 – Zerstörung und Wiederaufbau. Veröffentlichung des Arbeitskreises Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V., Band 20, Holzminden 2011, S. 14–21.
  15. Unstillbarer Hunger nach Echtem. Frankfurts neue Altstadt zwischen Rekonstruktion und Themenarchitektur. In: Forum Stadt. Zeitschrift für Stadtgeschichte, Stadtsoziologie, Denkmalpflege und Stadtentwicklung. 40, 2/2013, S. 119–136.
  16. Website des KDWT: Forschungsschwerpunkt Stadt und Denkmalpflege, abgerufen am 30. Mai 2024; Gerhard, Vinken: Vorbild Amerika? ›Historic Districts‹ und städtebauliche Denkmalpflege in den USA. In: Forum Stadt, 44. Jg., 3/2017, S. 251–270.
  17. DFG-gefördertes Forschungsprojekt (zusammen mit Prof. Dr. Stephan Albrecht): "Mittelalterbilder und Denkmalpflege. Leitbilder und Bildproduktion der Denkmalpflege am Beispiel mittelalterlicher Sakralbaukunst in Deutschland und Frankreich" (bewilligt 12/2014): gepris.dfg.de uni-bamberg.de beide abgerufen am 3. Juni 2024.
  18. Gerhard Vinken: Stadt – Denkmal – Bild. Wider die homogenen Bilder der Heimat, in: Hans-Rudolf Meier (Hrsg.): Stadtbild und Denkmalpflege. Konstruktion und Rezeption von Bildern der Stadt, Berlin 2008, S. 162–175.
  19. Homepage der Association of Critical Heritage Studies. Abgerufen am 3. Juni 2024.
  20. Gerhard Vinken, Stephanie Herold (Hrsg.): Denkmal_Emotion. Politisierung – Mobilisierung – Bindung, Holzminden 2021 (books.ub.uni-heidelberg.de).
  21. Gerhard Vinken: Escaping Modernity? Civic Protest, the Preservation Movement and the Reinvention of the Old Town in Germany since the 1960s. In: Martin Baumeister, Bruno Bonomo, Dieter Schott (Hrsg.): Cities Contested. Urban Politics, Heritage, and Social Movements in Italy and West Germany in the 1970s. Frankurt a. M. / New York 2017, S. 169–191.
  22. Gerhard Vinken: Die „Entdeckung“ Siziliens und die Verdrängung des Mittelalters aus dem Kanon des gebauten Erbes. In: Katharina Christa Schüppel, Magdalena Tebel (Hrsg.): Kunstgeschichte(n) : Festschrift für Stephan Albrecht. Band 44. University of Bamberg Press, Bamberg 2023, ISBN 978-3-86309-927-5, S. 144–151, doi:10.20378/irb-90878. 
  23. Gerhard Vinken: Kulturerbe als Aufgabe. Kanonisierung, Politisierung, Heterogenisierung (gefördert im Opus Magnum Programm der Volkwagen-Stiftung).
Normdaten (Person): GND: 173203175 (lobid, OGND, AKS) | LCCN: no00098719 | VIAF: 190488 | Wikipedia-Personensuche
Personendaten
NAME Vinken, Gerhard
KURZBESCHREIBUNG deutscher Kunsthistoriker und Hochschullehrer an der Universität Bamberg
GEBURTSDATUM 15. April 1961
GEBURTSORT Hannover