Erich von Kielmansegg

Erich Graf von Kielmansegg (* 13. Februar 1847 in Hannover; † 5. Februar 1923 in Wien) war ein Beamter und Politiker der österreichisch-ungarischen Monarchie. Er diente 23 Jahre als Statthalter von Niederösterreich und war 1895 kurzzeitig Ministerpräsident von Cisleithanien, der österreichischen Reichshälfte der Habsburgermonarchie.

Erich Graf von Kielmansegg als Statthalter (Heliografie von Josef Löwy, um 1900)

Leben

Seine Eltern waren Eduard von Kielmansegg, Staatsminister[1] (Ministerpräsident) des Königreichs Hannover, und Juliane von Zesterfleth zu Bergfried (1808–1880).[2] Kielmansegg wuchs in Hannover und Frankfurt am Main auf, studierte in Heidelberg und floh mit seiner Familie 1866 nach dem Deutschen Krieg nach Wien. Hier studierte er Jus an der Universität Wien und trat im Jahr 1870 in den österreichischen Verwaltungsdienst ein. 1871–73 war er Sekretär von Ministerpräsident Adolf von Auersperg.[3]

1876 bis 1881 fungierte Kielmansegg als Bezirkshauptmann des Bezirks Baden, zu dem auch das Gebiet des heutigen Bezirks Mödling zählte, später hatte er diese Funktion im Bezirk Sechshaus. 1882 bis 1886 arbeitete er in den Landesregierungen der Kronländer Bukowina und Kärnten in Czernowitz und Klagenfurt. Anschließend war er im Innenministerium als Sektionschef Leiter der Staatspolizei.[4] Er heiratete 1884 in Czernowitz Anastasia Lebedewna von Lebedeff (* 1860).[5]

Grab der Familie Kielmansegg auf dem Döblinger Friedhof

Vom 17. Oktober 1889 bis zum 28. Juni 1911, nur unterbrochen von seiner Amtszeit als Ministerpräsident 1895, war Kielmansegg Statthalter von Niederösterreich.[6] Er war damit der bedeutendste niederösterreichische Statthalter der Epoche.[7] In seine Amtszeit fällt die Eingemeindung von zahlreichen Vororten in Wien im Jahr 1890. Er gilt daher als Schöpfer von Groß-Wien[8] in der Kaiserzeit (nicht mit Groß-Wien in der Zeit des Dritten Reiches zu verwechseln).

Im Jahr 1906 trat eine von ihm ausgearbeitete Kanzleireform in Kraft, die den Aktenlauf in Niederösterreich vereinfachte. Diese „Kielmanseggsche Kanzleireform“ wurde in vielen Kronländern übernommen, die von ihm angestrebte gesamtösterreichische Verwaltungsreform ließ sich jedoch nicht durchsetzen.[4][1] Kielmannsegg förderte Sport und Fremdenverkehr sowie die neuen Automobile. Auch den Ausbau des Wienflusses und des Donaukanals und im Zusammenhang damit eine Donauregulierung in Niederösterreich betrieb er an vorderster Stelle.[4]

Politisch konnte er sich gegen die Sozialdemokraten und die Christlichsozialen unter Karl Lueger nicht durchsetzen,[3] den als Bürgermeister von Wien zu verhindern ihm nicht gelang.[4] Sein Versuch, Floridsdorf zur neuen niederösterreichischen Landeshauptstadt zu machen, kam Lueger durch die Eingemeindung nach Wien zuvor.[1][9]

Von 18. Juni bis 2. Oktober 1895 war Kielmansegg, als Vertrauensmann von Kaiser Franz Joseph, österreichischer Ministerpräsident und Innenminister seines Übergangskabinetts. Seine Beamtenregierung war von vornherein dazu gedacht, die laufenden Geschäfte bis zur Installierung einer definitiven Regierung unter Kasimir Felix Badeni zu führen.[10]

Kielmannsegg schrieb eine Familienchronik, Memoiren mit Beschreibungen bekannter Zeitgenossen (siehe Schriften) und veröffentlichte unter Pseudonym in Zeitungen.[1][3][4] Er starb am 5. Februar 1923 in seiner Wohnung in der Rathausstraße in Wien an einer Lungenentzündung. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Döblinger Friedhof im 19. Wiener Gemeindebezirk Döbling.

Schriften

  • Walter Goldinger (Hrsg.): Kaiserhaus, Staatsmänner und Politiker. Aufzeichnungen des k. k. Statthalters Erich Graf Kielmansegg. Verlag für Geschichte und Politik, Wien 1966 (Open Access bei De Gruyter).

Literatur

  • Kielmansegg Erich Graf. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 3, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1965, S. 322.
  • Walter Goldinger: Kielmansegg, Erich Graf von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 11, Duncker & Humblot, Berlin 1977, ISBN 3-428-00192-3, S. 580 (Digitalisat).
  • Leopold Haushofer: Biographie über Erich Graf Kielmansegg. Statthalter von Niederösterreich. Ungedruckte Dissertation, Wien 1948.
  • Rudolf Till: Erich Graf Kielmansegg und die Wiener Stadterweiterung 1890. Gerold Verlag, Wien 1954.
  • Klaus Mlynek: Kielmannsegg, Erich Graf von. In: Dirk Böttcher, Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein, Hugo Thielen: Hannoversches Biographisches Lexikon. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2002, ISBN 3-87706-706-9, S. 198.

Weblinks

Commons: Erich von Kielmansegg – Sammlung von Bildern
  • Literatur von und über Erich von Kielmansegg im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  • Erich von Kielmansegg in der Datenbank Gedächtnis des Landes zur Geschichte des Landes Niederösterreich (Museum Niederösterreich)
  • Kielmansegg, Erich Graf auf parlament.gv.at

Einzelnachweise

  1. a b c d Erich von Kielmansegg im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien.
  2. Juliane von Zesterfleth auf thepeerage.com, abgerufen am 18. September 2016.
  3. a b c Walter Goldinger: Kielmansegg, Erich Graf von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 11, Duncker & Humblot, Berlin 1977, ISBN 3-428-00192-3, S. 580 (Digitalisat).
  4. a b c d e Kielmansegg Erich Graf. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 3, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1965, S. 322.
  5. Erich Graf von Kielmannsegg auf thepeerage.com, abgerufen am 18. September 2016.
  6. Ernst Rutkowski: Briefe und Dokumente zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie. Band 1: Der verfassungstreue Großgrundbesitz 1900–1904. R. Oldenbourg Verlag, München 1991, ISBN 3-486-52611-1, S. 61.
  7. Karl Gutkas: Geschichte des Landes Niederösterreich. Verlag Niederösterreichisches Pressehaus, St. Pölten 1973, ISBN 3-85326-406-9, S. 467.
  8. Eintrag zu Erich von Kielmansegg im Austria-Forum (im AEIOU-Österreich-Lexikon).
  9. Erich von Kielmansegg im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien
  10. Gernot Dieter Hasiba: Das Notverordnungsrecht in Österreich (1848–1917). Notwendigkeit und Missbrauch eines „Staatserhaltenden Instrumentes“ (= Studien zur Geschichte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Kommission für die Geschichte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (1848–1918). 22). Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1985, ISBN 3-7001-0731-5, S. 85.
Ministerpräsidenten Cisleithaniens in Österreich-Ungarn

Friedrich Ferdinand von Beust | Karl von Auersperg | Eduard Taaffe | Ignaz von Plener | Leopold Hasner von Artha | Alfred Józef Potocki | Karl Sigmund von Hohenwart | Ludwig von Holzgethan | Adolf von Auersperg | remayr | Eduard Taaffe | Alfred III. zu Windisch-Grätz | Erich von Kielmansegg | Kasimir Felix Badeni | Paul Gautsch von Frankenthurn | Franz von Thun und Hohenstein | Manfred von Clary und Aldringen | Heinrich von Wittek | Ernest von Koerber | Paul Gautsch von Frankenthurn | Konrad zu Hohenlohe-Schillingsfürst | Max Wladimir von Beck | Richard von Bienerth-Schmerling | Paul Gautsch von Frankenthurn | Karl Stürgkh | Ernest von Koerber | Heinrich Clam-Martinic | Ernst Seidler von Feuchtenegg | Max Hussarek von Heinlein | Heinrich Lammasch

Siehe auch: Liste der Ministerpräsidenten Österreich-Ungarns (1867–1918)
Statthalter des Erzherzogtums Österreich unter der Enns (1809 bis 1918)

Franz Joseph Graf von Saurau | Ignaz Karl Graf von Chorinsky | Augustin Reichmann Freiherr von Hochkirchen | Alois Graf von Ugarte | Franz Graf von Klebelsberg | Johann Adam Talatzko Freiherr von Gestieticz | Anton Raimund Graf von Lamberg | Joseph Wilhelm Freiherr von Eminger | Karl Johann Joseph Prinz von Lobkowitz | Anton Halbhuber Freiherr von Festwill | Gustav Ignaz Graf von Chorinsky | Philipp Weber von Ebenhof | Sigmund Conrad von Eybesfeld | Ludwig Possinger Freiherr von Choborski | Erich Graf von Kielmansegg | Friedrich Freiherr Bourguignon von Baumberg | Erich Graf von Kielmansegg | Richard Graf von Bienerth-Schmerling | Oktavian Regner Freiherr von Bleyleben

(Nachfolger: Leopold Steiner)

Erich von Kielmansegg

Ferdinand von Blumfeld | Eugen Böhm von Bawerk | Apolinary Jaworski | Karl Krall von Krallenberg | Edward Rittner | Zeno Welser von Welsersheimb | Heinrich von Wittek

Normdaten (Person): GND: 107511584 (lobid, OGND, AKS) | VIAF: 27587853 | Wikipedia-Personensuche
Personendaten
NAME Kielmansegg, Erich von
ALTERNATIVNAMEN Kielmansegg, Erich Graf von; Kielmansegg, Erich Friedrich Christian Ludwig von; Kielmansegg, Erich von; Kappa, E. (Pseudonym)
KURZBESCHREIBUNG österreichischer Beamter und Politiker
GEBURTSDATUM 13. Februar 1847
GEBURTSORT Hannover
STERBEDATUM 5. Februar 1923
STERBEORT Wien